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Neues aus den Zipfelwerken: Folge 1

Neues aus den Zipfelwerken

Achtung, Realsatire! Mit unserer Web-Doku-Soap erinnern wir uns selbst immer wieder daran, dass Kunden ebenso wie Berater eben auch nur Menschen sind. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden Personen ist daher zufällig, jedoch keineswegs ausgeschlossen.

„Volker, wie ist eigentlich der Stand beim e-Zipfel?“ Walter Zipfelhuber blickte über die Gläser seiner Lesebrille hinweg seinen technischen Geschäftsführer an.

Volker Männlein krümmte sich innerlich zusammen. Es war einer dieser Montage. Er hörte das belustigte Raunen seiner Kollegen in der Geschäftsleitung: wenn der alte Zipfelhuber diese Reizfrage in der Montagsrunde  stellte, trugen die Diskussionen immerhin zur Erheiterung bei, solange man nicht selbst in die Schusslinie geriet. Er seufzte und hörte sich schon eine müde Erläuterung des Engpasses in der Produktion formulieren, der in Anbetracht des bevorstehenden Messetermins  keinen Raum ließ für Entwicklungsprojekte ohne erkennbaren Nutzen für die momentane Auftragslage. Doch an diesem Montag geschah etwas Unerwartetes: Jemand schaltete sich ungefragt in das Gespräch um die Zukunft des e-Zipfels ein.

„Vielleicht sollten wir dieses Thema mal im Zuge einer Gesamtstrategie für die Zipfelwerke und ihre Produktpalette erörtern?“ ließ sich Patricia von Waldeck vernehmen. „Schließlich spielt der e-Zipfel eine Schlüsselrolle für die Perspektiven der Jung & Wild GmbH.“

„Und als deren Geschäftsführerin fällt dir jetzt ein, wem du die Verantwortung für die miserable Umsatzlage deines Ladens zuschieben kannst?“ erwiderte Volker Männlein gereizt.

„Nana, ihr zwei“, schritt Walter Zipfelhuber ein, „seid nett zueinander . Patricias Vorschläge sind mir stets willkommen – wenn man wie ich, oder auch Volker, in der Produktion groß geworden ist, kennt man ja viele Theorien nicht, die ihr heutzutage so in den Business Schools lernt. Also, Patricia, lass mal hören.“

„Woran liegt es denn, dass wir nach zwei Jahren F&E noch nicht einmal eine zuverlässige Integration der piezoelektrischen Elemente in die Zipfel-Plattform beherrschen?“ setzte Patricia ihren Vorstoß unbeirrt fort. Die Frage war rhetorisch. „Das Projekt genießt überhaupt nicht den Stellenwert, der ihm zukommt. Wie viele Fachkräfte haben wir mittlerweile in der Piezoelektrik, Stefan?“ wandte sie sich an den Personalleiter.

Stefan Schmidt zuckte zusammen: wieso jetzt ich, dachte er irritiert. „Ähm, vier, glaube ich. Also FTE: zwei sind ja halbtags aus der Mechatronik ausgeliehen, drei Absolventen und dann eben noch Herbert.“

Patricia rollte die Augen. „Ein super Team also für ein strategisch relevantes Entwicklungsprojekt. Hör mal, Walter, so geht das nicht weiter.“

„Also bevor ihr jetzt noch mehr Kapa aus der Produktion abzieht,“ warf Volker Männlein ein, „gebe ich zu bedenken, dass wir noch immer das Problem mit der neuen Baureihe der Stellmotoren haben – und dass die Japaner direkt nach der Messe bestellen werden, brauche ich euch ja nicht zu erklären.“

„Niemand hat Interesse, unsere Lieferfristen noch weiter zu verlängern, Volker“ bekräftigte Maximilian Zimmermann. Als Chef der ZipfelConsult fungierte er auch als In-house-Berater der Geschäftsleitung. „Allerdings sollten wir tatsächlich direkt nach der Messe die Produktpalette kritisch durchsehen: wir haben viel zu viele Varianten im Bereich der Tradition GmbH und noch keine Roadmap für die aus der StellarCraft hervorgehenden Produktlinien. Wenn Patricia dafür einen Vorschlag hat, dann wäre ich gerne darüber informiert, bevor ich die Produktstrategie überarbeite.“

„Ich war doch kürzlich auf einer Tagung über Industrie 4.0,“ fuhr Patricia von Waldeck fort. „Und da war so ein Beratungsunternehmen, das in einem Impulsworkshop die Blue Ocean Strategy vorgestellt hat.“

„Wie bitte?“ Walter Zipfelhuber sah auf.

„Blauer Ozean, Walter“ ließ sich Volker Männlein süffisant vernehmen.

„Ich weiß, was das heißt, Volker“ polterte der Vorstand der Zipfelwerke. „Ich verstehe nur nicht, was das hier  soll.“

„Kurz gesagt geht es um eine Strategie, wie wir uns dem ruinösen Preiskampf entziehen und stattdessen völlig neue Märkte erschließen. Wir nutzen dazu unsere Kernkompetenzen so geschickt, dass Mitbewerber unseren Vorsprung gar nicht aufholen können. Also genau das, was wir ja mit der Jung & Wild GmbH erreichen wollen – weshalb wir eben auch die e-Zipfel-Technologie dringend benötigen“, schloss Patricia von Waldeck ihr Plädoyer.

„Walter, ich kenne diese Blue Ocean Strategy von Kim and Mauborgne“ erklang eine verzerrte Stimme mit deutlichem amerikanischen Akzent, und alle Gesichter wandten sich dem Videokonferenzbildschirm zu. Man vergaß häufig den einzigen Teilnehmer aus Übersee: Philipp Marc, CEO des jüngst zugekauften Unternehmens StellarCraft. „Das sind gute Leute von INSEAD in France.“

„Genau wie Patricia?“ schmeichelte Stefan Schmidt in Anspielung auf das MBA-Studium der jungen Geschäftsführerin.

„Und wie ich“, ergänzte Philipp Marc nüchtern. „Patricias Vorschlag ist gut: wir klären den Strategie, so unser Post-merger Integration geht besser.“

Erwartungsvolle Gesichter wandten sich in die Richtung von Walter Zipfelhuber, der sich nachdenklich über den Schnauzer strich. „In Ordnung“, brummte er nach einer gefühlten Ewigkeit. „Aber ich lasse mir von keinem Berater reinquatschen, wie ich mein Unternehmen zu führen habe. Dich meine ich nicht, Max – hilf Patricia und Marc dabei, ihren Vorschlag verständlich zu Papier zu bringen und kommt damit zu mir. Volker, du kümmerst dich um die Sache mit den Stellmotoren. Stefan, sieh zu, dass du weitere Facharbeiter für die Piezoelektrik findest. Und rede mit Herbert, dass er Produktmanager für den e-Zipfel werden kann, wenn er endlich mal einen Plan aufstellt.“

Walter Zipfelhuber faltete seine Lesebrille zusammen und legte sie sorgfältig vor sich auf seine Unterlagen. Brüsk stand er auf. „So, meine Herrschaften, an die Arbeit. Wir sehen uns nächsten Montag in dieser Runde wieder.“

Bild: Didier Duforest, Flickr (CC)

/* Original-Code Post Header Metadata
Datum: Feb. 18Autor: Quiridium
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