Smart Window: Zukunftsfähiger Fensterbau — Teil 7: Power
Mission Zukunftsfähigkeit
Wenn ich mit Branchenexperten über Innovationen im Fensterbau spreche, schildern diese ein etwas zwiespältiges Bild. Grundsätzlich sei eine Innovationsfähigkeit zwar gegeben, jedoch seien viele Führungskräfte bisher noch zu konservativ und unbeweglich. Das Schlimme ist, so prognostizierte der Vertreter eines Systemhauses nüchtern, die proaktiven Unternehmen überlebten, die passiven hingegen stürben. Dabei gelten gerade die traditionsbewussten und mitarbeiterorientierten, inhaber- oder familiengeführten Unternehmen des Mittelstands gemeinhin als Innovations- und Erfolgsfaktor der deutschen Wirtschaft. Wie lässt sich also diese solide Stärke besser in eine Zukunftsfähigkeit der Branche umsetzen?
Handwerk hat goldenen Boden
Viele Fensterbaubetriebe sind noch eher handwerklich geprägt. Gleichzeitig sind gerade die größeren unter ihnen mit teils hochmodernen Maschinen ausgestattet und weisen durch den Bezug von Profilen, Glas und Beschlägen von Systemlieferanten auch industrielle Merkmale auf. Im hart umkämpften Markt zählt aufgrund des Preisdrucks eine sehr kaufmännische Entscheidungsweise. Dabei wird ein Wandel der Haltung zunehmend wichtig: Früher, so sagen Branchenkenner, kamen die Leute zum Fensterbauer, heute muss die Branche Fenster aktiv verkaufen – und sich mit Qualität und innovativen Dienstleistungen von der Billigkonkurrenz abheben. Nicht wenige geben dem Druck nach und machen sich ebenfalls die kostengünstige Fertigung im Ausland zunutze. In diesem Klima werden sich Innovation und Digitalisierung auf schneller und kostengünstiger beschränken. Dann bedeutet Führung im täglichen Miteinander klare Ansagen und Durchsetzungsvermögen aufgrund von Positionsmacht und Charaktereigenschaften. Letztlich bleibt alles beim Alten.
Verkaufen beginnt nicht erst beim Kunden
Noch vor wenigen Jahren standen […] eher technische Herausforderungen und Chancen im Zentrum der Debatte. Mittlerweile hat sich die Perspektive geweitet: Wir machen uns viel bewusster, dass die Digitalisierung vor allem von Menschen für Menschen gemacht wird. Unternehmen müssen in Zukunft noch stärker von den Nutzern ihrer Produkte und Dienstleistungen aus denken. Und mindestens genauso wichtig: aus der Sicht der Menschen im Unternehmen, die die Transformation konkret gestalten müssen. Die „Personaler“ werden dabei zu entscheidenden Change Agents des technologischen und gesellschaftlichen Wandels.« (acatech 2016)
Nach einer vom Fraunhofer Institut für Arbeit und Organisation durchgeführten Umfrage (FhG-IAO & DGFP 2018) gilt die Übernahme einer Führungsfunktion inzwischen als weniger erstrebenswert. Überspitzt könnte man sagen, Führung klingt jetzt nach noch mehr Arbeit und viel weniger Status. Denn die Wirksamkeit als Führungskraft beruht eben nicht mehr auf vermeintlichen Führungsqualitäten und Positionsmacht. Vielmehr soll die Führungskraft im digitalen Zeitalter »Entwickler und Begleiter« sowie »Vernetzer und Ermöglicher« sein. Wie bereits im ersten Teil dieser Artikelserie ausgeführt, sind überkommene Vorstellungen von Führungsqualitäten wie Selbstbewusstsein und Durchsetzungsvermögen sogar kontraproduktiv (Chamorro-Premuzic 2017). Was aber tritt an deren Stelle? Wie führen Team- und Bereichsleiter im Fensterbauunternehmen der Zukunft?
Innovative Haltung
Alles beginnt mit dem Infragestellen des Status quo, ob Produkte, Prozessen oder Strukturen. Weil sich das mit dem Tagesgeschäft nicht gut verträgt, gehen wir mit dem Innovationsforum eher mal raus aus den vertrauten vier Wänden des eigenen Büros. Nicht nur, dass ein paar Stunden am Nachmittag sowohl der Einkehr und Reflexion zuträglich sind. Auch der Austausch mit anderen Menschen wirkt inspirierender als die Quartalszahlen. Und wenn Führungskräfte sogar einen geschützten Raum für Versuche ohne Erfolgsgarantie schaffen, haben sie mehr für die Innovation getan als mit dem Durchdrücken der eigenen Idee.
Disruptive Haltung
Überkommenes Wissen zu hinterfragen, ob es überhaupt noch relevant ist oder zumindest aktualisiert werden müsste, ist die Voraussetzung für zukunftsfähige Führung. Vielleicht wird hier das paradoxe Verhältnis von Tradition und Innovation am deutlichsten. Zumindest aber sollte es eine sehr bewusste Führungsentscheidung sein, was bewahrt und was verändert werden soll. Weder bedenkenloses Beibehalten noch blindwütiger Aktionismus helfen dem Unternehmen. Gerade weil die Gefahr besteht, dass Veränderungen entweder unzureichend umgesetzt werden oder aber nicht die gewünschten Ergebnisse zeigen, ist die Fortschrittsmessung wesentlich. Führungskräfte brauchen also ihre Teams nicht auf einen „Maßnahmenplan“ einschwören. Vielmehr wäre eine messbare Zielgröße zu vereinbaren – wie Materialintensität, Durchlaufzeit oder Kundenzufriedenheit. Auch die Unternehmenswerte (siehe der dritte Teil dieser Artikelserie) bieten dann Orientierung bei der Navigation zwischen Neuem und Bewährtem.
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Offenheit für das Netzwerken
Eine stärkere Vernetzung innerhalb des Unternehmens bedeutet, dass Hierarchien abflachen und an Bedeutung verlieren. Das wirkt anziehend auf junge Nachwuchskräfte: in Zeiten des Fachkräftemangels kein unbedeutendes Argument. Zudem nehmen Flexibilität und Gemeinschaftsleistung zu.
Die Offenheit bezieht sich aber auch auf Partnerschaften entlang der Lieferkette. Die Vielfalt der Bauprodukte im Bereich Fenster und Fassade legt sogar Plattformen nahe, um gesamthafte Lösungen ohne „Anschlussprobleme“ zu entwickeln.
Mit Plattformen lassen sich vor allem dann neue Potenziale für Wachstum und Unternehmenswert entfalten, wenn sie als Ökosystem möglichst vielen Nutzergruppen offenstehen und auch Produkte und Leistungen von anderen Unternehmen einbezogen werden. Wer Plattformen in erster Linie als Instrument zur Absatzsteigerung für die eigenen bestehenden Produkte konzipiert, schöpft die Möglichkeiten nicht aus.« (Accenture 2018)
Mut und Entschlossenheit
Ganz offenkundig benötigt die Führungskraft im Fensterbau des digitalen Zeitalters eine Menge Mumm – jene einzigartige Kombination aus Mut, Motivation und Resilienz. Gerade der Umgang mit unbequemen Veränderungen der Märkte oder auch den unvermeidlichen Rückschlägen beim Ausprobieren neuer Herangehensweisen bedingt eine nicht unerhebliche Frustrationstoleranz. Dabei helfen der Rückhalt im Team und die Rückendeckung durch die Geschäftsführung. Dann können auch endlich die Rechtfertigungen und Ausweichmanöver entfallen, die andernfalls viel Produktivität kosten.
Dienende Führung im Fensterbau
Wenn diese vier Schlüsseleigenschaften – Innovation, Disruption, Offenheit und Mumm – nicht kultiviert werden, erscheint die digitale Führung leider tatsächlich als wenig attraktive Alternative zur konventionellen Führung. Und die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens bleibt ein frommer Wunsch. Denn ganz offenkundig haben wir ja mit unseren hergebrachten Vorstellungen von Führung und Macht einen Zustand erreicht, mit dem wir unzufrieden sind.
Nicht Macht bindet Menschen dauerhaft an ein Unternehmen und bringt sie zur Höchstleistung. Vielmehr ziehen wichtige Herausforderungen gute Leute an. Wer ein echtes Miteinander spürt und durch Fortschritt motiviert wird, stellt sich gern als Führungskraft in den Dienst einer Sache: nämlich Vision und Mission des Unternehmens (siehe der dritte Teil dieser Artikelserie). Dienende Führung bedeutet, ein Hochleistungsteam zu moderieren und Barrieren für dessen Erfolg auszuräumen. Und weil auch das eine Prozessinnovation ist, die erst erprobt werden will, bevor man das wirtschaftliche Überleben auf’s Spiel setzt, wollen wir im Innovationsforum „Labore“ zum gründlichen Testen all dieser neumodischen Ideen bieten.
Literatur
- Acatech: Die digitale Transformation gestalten, 2016.
- Accenture & Die Welt: Deutschlands Top 500 – Digitale Geschäftsmodelle ohne Geschäft?, 2018.
- Chamorro-Premuzic, T.: The Talent Delusion – Why Data, Not Intuition, Is the Key to Unlocking Human Potential. Piatkus, 2017.
- FhG-IAO & DGFP: Digital Leadership, 2018.
Die zehnteilige Artikelserie Smart Window: Zukunftsfähiger Fensterbau wendet die Themen der FOM-Vorlesung Führung & Nachhaltigkeit auf den Fensterbau an. Sie richtet sich daher zum einen an Führungskräfte in Unternehmen des mittelständischen Fensterbaus, die sich für nachhaltige Unternehmensführung und das Innovationsforum Smart Window interessieren; zum anderen an berufsbegleitend Studierende, die Anwendungsbeispiele für die Lehrinhalte suchen. Hier die Übersicht der bisher veröffentlichten Themen:
Teil 1: Leadership – Bei guter Führung … bloß nicht vorzeitig entlassen!
Teil 2: Principles – Prinzipientreu und doch wandelwillig
Teil 3: Compass – Gute Aussichten durch smarte Fenster
Teil 4: Analysis – Mehr Durchblick mit besseren Daten
Teil 5: Controlling – Grüner Controlletti
Teil 6: Accountability – Antworten für Morgen
Teil 7: Power – Führung Macht Fenster
Teil 8: Diversity
Teil 9: Ethics
Teil 10: New Economy